Archivstück des Quartals IV. 2018
Woher kam das Geld? Die Einnahmeseite der Haintchener Kirchenbaurechnung
Die Bedeutung der Kirchenbaurechnung für die Bau- und Kunstgeschichte der Haintchener St. Nikolaus Kirche ist bereits untersucht und dargestellt worden. Dabei fand v.a. die Ausgabenseite Beachtung, ermöglicht sie doch einen seltenen Blick auf die beteiligten Bauhandwerker, Kunsthandwerker und Künstler[1]. Aber auch die Einnahmenseite birgt interessante Erkenntnisse – v.a. vor dem Hintergrund der bekannten Streitigkeiten rund um die Finanzierung des Kirchenbaus[2].
Die vom kurtrierischen Schultheiß Johannes Roth[3] geführte Kirchenbaurechnung nimmt in ihren ersten drei Positionen noch Bezug auf den ursprünglichen Finanzierungsplan, der die Kosten zwischen den Zehntherren aufgeteilt hatte: Kurtrier steuerte, wie festgesetzt, gut 108 Gulden (= 72 Reichstaler) bei. Die Einnahmen aus dem wied-runkelischen Zehnten – die auf Anweisung Kurtriers einbehalten wurden – beliefen sich im Zeitraum zwischen 1749 und 1755 auf gut 715 Gulden (= 477 Reichstaler) Damit war man noch weit von den angesetzten 1.011 Reichstalern entfernt. Pfarrer Klemmer hatte im Streit mit der Gemeinde eine Reduzierung seines Kostenanteils durchsetzen können. Er zahlte 450 Gulden (= 300 Reichstaler) statt der ursprünglich festgesetzten 500 Reichstaler. Nassau-Oranien hat sich anscheinend jeglicher Zahlung enthalten, jedenfalls verbuchte Johannes Roth keinerlei Einnahmen von dieser Seite[4].
Die nachfolgenden Positionen der Kirchenbaurechnung belegen, dass der größte Teil des benötigten Geldes durch den Verkauf von Holz aus den Haintchener Wäldern erzielt worden ist: 225 Stämme und das anfallende Ast- und Reisholz ermöglichten den Neubau und die Ausstattung der St. Nikolaus-Kirche. Geschlagen wurde dieses Holz auf dem kurtrierischen Laubus und dem gemeindeeigenen Hohen Wald[5]. Schultheiß Roth betont dabei ausdrücklich, dass dieser Einschlag mit dem Konsens der beiden Landesherren Kurtrier und Nassau-Oranien erfolgt sei[6].
Als Abnehmer der Stämme werden die Bergleute aus der Langhecke sowie der Holzhändler Moritz (Mauritz) aus Wesel am Niederrhein aufgeführt. Letzterer verkaufte das Holz vermutlich weiter in die Niederlande. Bemerkenswert ist die verbuchte Abgabe von 30 Stämmen Bauholz nach Lindenholzhausen. Dort war es 1750 zu einem verheerenden Brand gekommen.
Die Preise für die geschlagenen Stämme variierten zwischen 7 ½ Gulden für Lindenholzhausen (vermutlich auch bedingt durch die dort herrschende Notlage), gut 12 Gulden für die Bergleute in der Langhecke und 17-18 Gulden für den Holzhändler. Auch das bei der Aufarbeitung anfallende Ast- und Reisholz wurden an Mauritz verkauft.
Außerdem wurde noch Holz an den Oberschultheiß in Niederselters geliefert.
Einnahmen ließen sich schließlich auch noch nach dem Kirchenbau durch den Verkauf von nicht mehr benötigtem Gerüstholz, Metallteilen und Werkzeugen erzielen. Selbst die Kirchenfenster der abgebrochenen Vorgängerkirche fanden noch Käufer.
Insgesamt konnten auf diese Weise gut 6.500 Gulden an Einnahmen erzielt werden. Die Aufnahme der Bauarbeiten im Frühjahr 1750 war aber nur deshalb möglich, weil sie – vor dem Verkauf des Holzes – durch Kredite quasi zwischenfinanziert wurden[7]. Auf der Seite derjenigen, die trotz der „finanziellen Zurückhaltung“ der protestantischen Zehntherren doch noch den Neubau der Pfarrkirche in Haintchen durchsetzen wollten, war Pragmatismus gefragt. Das galt v.a. für den katholischen Landesherrn Kurtrier: Sein Kostenanteil wuchs. Auch die Gemeinde Haintchen musste letztlich mehr Geld aufbringen. Der Gedanke einer Finanzierung durch Holzeinschlag und -verkauf wies einen gangbaren Ausweg.
Pfarrarchiv Haintchen
Kurtrierische Zeit, Mappe Kirchenbaurechnung
Teiledition[8]
Haintchen, 26. Juli 1756
Rechnung über den Kirchenbau zu Haintchen (Hängen) de anno 1749 bis 1756 inclusive, geführt durch Johannes Roth kurfürstlich-trierischer Schultheiß in Haintchen (Häntgen)
Einnahme Gelder Rheinische Währung
Alles auf Gulden und gute Kreuzer
Erstens: Von Ihro Kurfürstliche Gnaden zu Trier Höchstdero halber Zehntanteil als ein Beitrag zum Kirchenbau auf der Kellerei Limburg empfangen: 108fl 23x |
Sowohl von Wied-Runkel als auch dessen Pfarrer zu Wolfenhausen Zehntanteil welcher auf gnädigsten kurfürstlich trierischen Befehl eingezogen worden ist, überhaupt nach Abzug der gehabten Kosten eingegangen, als nämlich Anno 1749: 17fl[9] 49x
1753: 189fl 41x 1754: 97fl 41x 1755: 44fl 48x |
…[10] |
Von dem hochwürdigen Herrn Pastor Klemmer sein Anteil ihm zu repartiertes Quantum von dem Zehnten zum Kirchenbau laut mit selbigem getroffenen Vergleich, welchen die Gemeinde mit H. Pastor getroffen, weil er ohnedies an dem Pfarrbau einiges verbessert[11]: 450fl |
Weswegen auch Herr Deboul[12] zur Einigkeit dieses Vergleichs eine Fahne in die Kirche für 40 Gulden beigetragen und geschenkt |
Für 30 Stämme Bauholz welche denen Brandgeschädigten von Lindenholzhausen[13] verkauft worden und mit herrschaftlichem Konsens überlassen für: 225fl |
Den Bergleuten in der Langhecke[14] ebenmäßig mit herrschaftlichem Konsens 8 Stämme verkauft: 102fl |
Für 42 Wagen Schös(?) an Herrn Moritz von Wesell[15] mit vorerwähntem Konsens jede 4 Gulden 50 Kreuzer facit: 203fl |
… |
Item für 180 Stämme Holländer Floß-Bäume(?) welche mit Konsens gnädigster Herrschaften an Herrn Moritz von Wesell verkauft worden. Erstens aus dem Laubuswald 100 Stämme, jeder Stamm 17 Gulden Aus dem Hohen Wald 80 Stämme, jeden Stamm für 17 Gulden facit aus beiden Wäldern: 3060fl |
Abfallendes von diesen Bäumen Klafter Holz auf dem Laubus 182 Klafter, jedes Klafter für 3 Gulden 2 Kreuzer, wie auch [aus] dem Hohen Wald 155 Klafter, jedes Klafter ebenmäßig 3 Gulden 2 Kreuzer: 1022fl 14x |
Nochmals an Herrn Moritz von Wesell, weil die zuvor verkauften [Stämme] nicht hinlänglich; verkauft 25 Stämme aus dem Hohen Wald angewiesene abgängliche Summe. Jedoch noch auf erstere beiderseits hohe herrschaftliche Genehmigung. Jeder Stamm 18 Gulden: 450fl |
… |
Von letzterem vorigen Verkauften hat die Gemeinde für ihr Winterbrennholz ausgeteilt[16] |
Die Kirchen Rüstung verkauft an die Bergleute in die Langhecke was nicht in die Gemeinde gebraucht worden ist: 47fl 30x |
Noch eine Bürck(?) von der Rüstung verkauft an einen Müller für: 32x |
Für übrig gebliebene Eisen und Eisenwerk an Rüstklammern und Speishau(?) und für die alten Kirchenfenster, für Hacken und Schaufeln, wie auch Deck- und andere Nägel welche so verkauft worden erlöset: 29fl 44x |
Von der Rüstung alte zerbrochene Bord erlöst: 10fl 30x |
… |
Den Bergleuten 12 Stämme Holz welche denen Bergleuten in der Langhecke mit Vorwissen [des] hochlöblichen Amts [Camberg] verkauft worden: 149fl |
Dem Herrn Oberschultheiß zu Niederselters[17] 6 ½ Klafter Holz für das com mante(?) ohne Hauerlohn 3 Gulden 6 Kreuzer facit: 20fl 9x |
Einnahme Gelder 6.592 Gulden 47 Kreuzer 1 Pfennig
[1] S. dazu Ludwig Baron Döry, Die Barockkirche in Haintchen, in: 600 Jahre Haintchen, 113-150.
[2] Nachdem das Projekt des Kirchenneubaus, nicht zuletzt auf Initiative des damaligen Pfarrers Klemmer, auf den Weg gebracht worden war, wurden Kostenschätzung und Finanzierungsplan erstellt. Dabei übernahm Kurtrier die Federführung, war aber auf die Kooperation der nassau-oranischen Mitherrschaft angewiesen. Man ging zunächst von Baukosten in der Höhe von über 3000 Gulden, bzw. rund 1700 Reichtalern aus. Diese sollten von den Zehntherren über Haintchen gemäß ihres Zehntanteils aufgebracht werden. Aufgrund dieses Verteilungsplans waren von den beiden Landesherren Kurtrier und Nassau-Oranien jeweils gut 72 Reichstaler, vom Haintchener Pfarrer aber 500 Reichstaler und von der Herrschaft Wied-Runkel bzw. dem von ihr bestellten Pfarrer in Wolfenhausen über 1.011 Reichstaler aufzubringen. Dass sich gerade bei den protestantischen Zehntherrn die Begeisterung über diesen Vorschlag, mit dem sie zum Neubau eines katholischen Kirchengebäudes beitragen sollten, in Grenzen hielt, ist wohl nachvollziehbar. In der Folge weigerte sich Wied-Runkel den geforderten Betrag zu entrichten, was Kurtrier schließlich dazu bewog, einseitig den entsprechenden Zehntertrag zu sequestrieren, d.h. vorläufig einzubehalten. Dagegen schritt die nassau-oranische Mitherrschaft ein, wodurch der kurtrierische Finanzierungsplan in Frage gestellt war.
[3] Johannes Roth (1707-1783) war seit 1741 kurtrierischer Schultheiß in Haintchen, s. Rudolf Wolf, Zur Familiengeschichte von Haintchen im 17. Und 18. Jahrhundert, in: 600 Jahr Haintchen, 189-194, hier: 194. S. auch Archivstück 2018/3.
[4] So auch in der Beschreibung der Pfarrei Haintchen durch Pfarrer Ponsar, in: Alois Staudt, Beiträge zur neueren Kirchengeschichte, in: 600 Jahre Haintchen, 79-112, hier: 84. Die hierin überlieferte Auffassung, wonach die Zehntherren den Chor, die Gemeinde aber Schiff, Turm und Sakristei hätten erbauen lassen, spiegelt sich in der Kirchenbaurechnung nicht wider. Baumeister Ullrich hatte 1748 eine Kalkulation vorgelegt, in der die Baukosten für Schiff, Chor und Turm mit Sakristei getrennt ausgewiesen worden waren, s. Ludwig Baron Döry, Die Barockkirche in Haintchen, 113-150, hier: 124. In der Kirchenbaurechung werden die Baukosten für die Sakristei gesondert ausgewiesen.
[5] Zu den Eigentumsverhältnissen s. Ulrich Lange (Hg.), „Wen Gott lieb hat,…“. Amtsbeschreibung von 1788-91 (= Schriftenfolge Goldener Grund 21), 89f.
[6] Vielleicht sah Nassau-Oranien dadurch seinen Kostenanteil als gedeckt an, ohne dem ursprünglichen kurtrierischen Finanzierungsplan Folge geleistet zu haben.
[7] 1.000 Reichstaler hatte die Witwe des kurtrierischen Generalfeldzeugmeisters Franz Philipp Caspar Wamboldt von Umstadt, Maria Charlotte geb. Freiin von Kesselstadt, geliehen. 500 Reichstaler waren an den Hüttenschreiber Wiegand, über 1.000 Gulden (fast 670 Reichstaler) an den Haintchener Gerichtsschöffen Philipp Rau und 160 Reichstaler an den Sekretär Wenzel zurückzuzahlen – mit Zinsen. Schultheiß Roth verzeichnete die Kredite und ihre Abzahlung in der Ausgabenseite der Kirchenbaurechnung.
Der kurtrierische Zuschuss von 400 Reichstalern zum Kirchenbau (s. Ludwig Baron Döry, Die Barockkirche in Haintchen, in: 600 Jahre Haintchen, 113-150, 122) wird in der Rechnung nicht verbucht.
[8] Hier werden lediglich die Einnahmen der Kirchenbaurechnung veröffentlicht.
- Die Abk. bedeuten: fl = Floren (=Gulden), x = Kreuzer, J= Pfennig
[10] Markierung für Seitenumbruch im Original.
[11] Johann Theodor Klemmer war von 1734-1750 Pfarrer in Haintchen. Zu dem mit ihm ausgehandelten Vergleich s. Archivstück 2018/3.
[12] Moritz (Mauritius) Deboul war Vermittler im Streit zwischen der Gemeinde und Pfarrer Klemmer, s. dazu Archivstück 2018/3.
[13] Bei dem Großbrand wurden 93 Häuser zerstört. Der Schaden soll sich auf 30.000 Reichstaler belaufen haben, s. www.lindenholzhausen.de/ortsgeschichte (10.September 2018).
[14] Das Holz wurde vermutlich für den im Stollenbetrieb geförderten Schiefer benötigt.
[15] Vermutlich handelt es sich um Jacob Mauritz (1716-1785). Die Familie Mauritz stammte ursprünglich aus den Niederlanden und gehörte im 17. und 18. Jahrhundert zu den dominierenden Holzhändlern in Wesel am Niederrhein; frdl. Mitteilung von Herrn Dr. Roelen, Stadtarchiv Wesel vom 25. Juli 2018.
[16] Vermutlich wurde das diesmal anfallende Ast- und Reisholz nicht an den Holzhändler Mauritz verkauft.
[17] Peter Richard Bullmann (+1754) war seit 1749 (Ober-)Schultheiß in Niederselters, s. Hellmuth Gensicke, Von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, in: Geschichte von Niederselters 67-94, hier: 75.