
In all unseren Kirchorten wurde, nachdem am 24.02.2022 der Krieg in Osteuropa traurige Realität wurde, am (Faschings-)Wochenende in unterschiedlichen und vielfältigen Formen dem Aufruf der Christlichen Kirchen gefolgt und um Frieden gebetet.
Als ich an jenem Sonntag morgen zur Messe gefahren bin, ging es in einer Kirchensendung im Radio um die Frage, was es denn bringe, um den Frieden zu beten (vgl. mit freundlicher Genehmigung des Verfassers https://anchor.fm/pfarrerundnerd/episodes/060-FRIEDEN-erBETEN-e1etdns)
Ich bete als Katholikin bzw. gläubige Christin auch sonst, auch um nicht sofort "herstellbare" und "wünschenswerte" Zustände, z.B. um Gesundheit, Heilung, Hilfe in schwierigen Anliegen usw. Mit der Ankündigung zum Friedensgebet vor Ort im Rücken habe ich mich aber auch gefragt, ist es nicht naiv, angesichts Bildern von Angriffen auf die Zivilbevölkerung, Zerstörung, virulenter atomarer Bedrohung und Verwirrung um den Frieden zu beten? So traf dieser Zweifel meinen an diesem Morgen eher resignativen Nerv.
In seiner Predigt im Hochamt berichtete Kaplan Varga von den ersten Aufnahmen von Flüchtlingen in seinem Heimatdorf nahe der Grenze zur Ukraine. Für mich war diese Schilderung der Auswirkungen unmittelbaren Kriegshandelns näher und greifbarer als alle medial vermittelten Bilder und sorgte für Gänsehaut.
Am Abend beim eigentlichen Friedensgebet hatte ich dann tatsächlich das Gefühl, im Gebet etwas Konkretes für den Frieden getan zu haben. Ein Gegen-Gewicht gesetzt zu haben. Ein bisschen was gegen meine Machtlosigkeit und Ohnmacht. Gegen Gott- und Sinnlosigkeit.
Verstärkt wurde das noch durch die Aussetzung und Anbetung des Allerheiligsten. Unser Gebet wird durch die Gegenwart Gottes gesehen und gehört, er-hört.
Und mir hat auch die Gemeinschaft gut getan, allerorten wurde ja gebetet, somit (territoriale) Grenzen und gedankliche Schranken überwunden, im Kollektiv eine Klage und der Aufschrei der Menschheit bearbeitet und Gott übergeben.
Papst Franziskus mahnt unablässig zu einem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen. Zwar nicht konkret zum Ukraine-Krieg, aber anlassbezogen konstatiert er: "Um Frieden zu schaffen, braucht es Mut, sehr viel mehr, als um Krieg zu führen... Die Geschichte lehrt uns, dass unsere alleinigen Kräfte nicht ausreichen. Deshalb sind wir hier, denn wir wissen und glauben, dass wir der Hilfe Gottes bedürfen."
Er bezeichnet das Gebet als "stille Waffe Gottes".
Die Konnotation mag dem einen oder der anderen zu martialisch erscheinen.
Dann kann man auch zu Maria, der "Königin des Friedens" beten, mit den Worten von Gertrud von le Fort, einer Dichterin, die beide Weltkriege miterlebte. Sie sind poetisch und schenken Hoffnung:
"Lasst uns beten für den Frieden unserer Erde, denn der Friede der Erde ist krank. [...] Du Mutter der Schutzlosen, du Feindin der Herzlosigkeit, doch Mutter auch der Herzlosen, erbitte uns den Frieden [...] Schenke uns ein Ostern unseres Friedens."
Wir gehen auf Ostern zu. In einem Fasten für den Frieden kann das bekannte, dem Hl. Franziskus zugeschriebene Gebet "Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens" (GL 680, 2) mit seinen Umkehrforderungen Platz finden. Ich bin im Kleinen für den Frieden verantwortlich. Ich bin Instrument seines Friedens. Nicht allein und autonom handlungsfähig, wenn ich mich auf Gott berufe und von ihm führen lasse.
Ich möchte mit den Worten einer Regionalbischöfin schließen, die im ZEIT-Dossier die Annahme widerlegt, beim Friedensgebet handele es sich um eine lächerliche Geste mit mehr als Symbolcharakter:
"Das Gebet stärkt unsere Hoffnung auf Frieden und hält die Möglichkeit einer anderen Welt offen. Das Gebet um Frieden ist nicht nur Ausdruck der Bitte: "Gott, erbarme dich." Es ist der Einbruch einer anderen Realität, die den Frieden Gottes als Möglichkeit behauptet, ein Spalt, durch den Hoffnung kommt, ja sogar die Kraft zum Verhandeln, das politische Geschick, die Beharrungskraft. "Verleih uns Frieden gnediglich, Her Got zu unseren zeyten." Artikel auf ZEIT ONLINE lesen: https://www.zeit.de/2022/09/gebete-frieden-krieg-krise-geschichte-martin-luther?wt_zmc=sm.ext.zonaudev.mail.ref.zeitde.share.link.x
Andrea Bargon
