Archivstück des III. Quartals 2021
Der Frühmesser als Wetterbeobachter.
Notizen des Benefiziaten Peter Christian Winzmann.
Das im Pfarrarchiv aufbewahrte Amtsbuch der ehemaligen Frühmesserei[i] überliefert, was man erwarten darf: Notizen zur Entstehung der Frühmesserei, Nachrichten über die Berufung des Frühmessers und seine Amtshandlungen, dazu einige Finanzangelegenheiten. Dies gilt allerdings nur für die Jahre zwischen 1759 und 1767. Mit dem Jahr 1767[ii] ändert sich der Inhalt der Einträge schlagartig, denn nun ist fast nur noch … vom Wetter die Rede[iii].
Mit dem hier vorzustellenden Archivstück soll nicht nach den Ursachen für diesen plötzlichen Wechsel gesucht werden[iv], sondern es werden die Wetterbeobachtungen des Frühmessers Peter Christian Winzmann[v] vorgestellt. So sehr man es auch bedauern mag, dass die Überlieferung zur Geschichte der Frühmesserei in Haintchen im Amtsbuch einen jähen Abbruch erfährt, so interessant sind doch die Wetterangaben des Frühmessers; gerade auch deshalb, weil vergleichbare Informationen aus Haintchen für die damalige Zeit kaum überliefert sind.
Wetterbeobachtungen und Himmelszeichen zwischen 1767 und 1774
Die Aufzeichnungen zum Wettergeschehen sind von Winzmann nicht kontinuierlich geführt worden. Mal gibt es nur kurze Notizen zu einzelnen Wetterphänomenen, mal wird die jahreszeitenspezifische Entwicklung und manchmal auch die Witterung über ein ganzes Jahr geschildert. Oft kommt dabei der unmittelbare Zusammenhang zwischen Wetter und der Preisentwicklung beim Getreide in den Blick: Der Anstieg des Kornpreises infolge ungünstigen Wetters wird registriert, weil er unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse einer agrarisch geprägten und kaum in überregionale – geschweige denn internationale – Handelsbeziehungen eingebundene Gesellschaft hat.
Das Jahr 1767[vi]
28ten Jan: […] meine feind[vii] wolten sich der außerordentlichen Kält zum werckzeug mich gar ums leben zu bringen bedienen[viii]; den
7ten Feb. hatte die Kalt schier den höchsten grad erreichet und ginge in selbiger Nacht der Rhein zu Coblenz, welches nie erhört, zu; den
9ten überstiege die Kalt den höchsten Grad, daß auch die Vogel in der Luft erfroren;
d. 20ten funde man viele Raben auf denen Straßen tod, zu Erbach seynd mehr dan 30 Hühner erfroren, zu Camberg 9 Ferckel bey einer Mucke [?]
d. 26ten wurde es wieder glind.
d. 29. schiene die Sonn und brente so starck, das man nicht lang auf einem Platz ohne mercklige empfindung stehen konte und habe ich mit den H. Vettern Pastoren Burret[ix] zu Hasselbach ob zwarn noch alles mit Schnee bedeckt bey nah 2 Stund auf den Kirchhoff gestanden und zum danckzeigen etliche boutellien wein getruncken.[x]
Das Jahr 1768[xi]
Den 5 ten april des abends zwischen 8 und 9 uhr floge eine feurige Kugel durch die luft, verginge mit einer Knal gleich einer loos gebrenten canone, sie kame von orient aus einer duncklen wolcken, bey ihre ausgang aus derselben wärfte sie viele kleine Stern von ihr, welche gleich verschwanden. Sie fuhre wie ein blitz durch die luft, und wurde an jeden orth sehr niedrig, als wan sie durch die straße fliege, und über all zu gleicher Zeit, beobachtet.
Das Jahr 1769[xii]
den 7ten 8br.[xiii] falle[?] ein häuffiger Schnee, und weilen die bäume noch die blätter hatten und kein wind ginge, so blieb er auf denselben liegen und durch die last mehr dan 400 Kahren[xiv] Äst und Doln[?][xv] im hiesigen Wald abgebrochen seynd.
den 13 ejusd.[xvi] ware es auserordentlich warm.
den 6. 9bris[xvii] des Morgens 7uhr donner mit häuffigen regen
den 26 auserordentlicher Wind, daß mann förchtete er würde die Häuser zusammen werfen, dannoch keinen einzigen Baum im Wald umgegaget [?][xviii]
den 29. [November] ein Luftzeichen gleich deme vom 5. April biß:
den 30. morgens 5 Uhr donner und starken blitz
Das Jahr 1770[xix]
Den 10. Januar abends 9 Uhr bey vollem Mondschein und ganz heiterem Himmel ein heller Blitz auf welchen etliche donner schläg ab ganz Verdunt[?] gehoret wurde, ohne daß man eine wolcke am firmament erblicken konnte.
Den 17. Um 11 ¼ Uhr morgens, da der Himmel etliche Stund vorhero ganz hell, überzoge sich derselbe gar geschwind mit einer so dunklen Wolcke, daß man schier die Lichter anzünden müssen, folgte Schnee und ein so entsetzlicher Wind, daß die Reisenden sich auf freyem feld niederlegen müssen, ware aber in etlichen Minuten vorüber.
Den 18. Abends 6 ½ Uhr ein starker Nordschein, welcher wehrete biß 10 Uhr, er kame von Nord und breitete sich am ganzen firmament sehr feurig aus. Wurde in Norwegen stärker gesehen.
19ten folgte glind wetter darauff
25. angenehmer Frühlingswetter biß
7ter Febr. des nachts ein großer Schnee
8. sehr kalt biß
12. abends 6 Uhr ein Nordschein sehr roth, mitten durch ein grader Strich, sehr hell
Merz 11. 12. 14. sehr angenehmes Frühlings wetter und warmer Sonnenschein
15. den ganzen Tag Schnee biß
20. lag derselbe 3 Schuh hoch biß
April trocken Wetter biß
18. May Regen stiege der Korn preis das Malter[xx] 15fl[xxi]. Gerste 9fl
20. fruchtbahrer Regen, und sehr warm
25. sehr große hitz
29. so rau und kalt, daß man einheizen mußte, rau und regnerisch biß
22. Julii schön, warm. Das Malter Korn 18fl, Gerste 12
Den 2. Aug. rau, daß man feuer in den öfen machen mußte
4. schön
6. fingen etliche Korn an zu schneiden, ein glinder Herbst und schön wetter biß
15 9bris[xxii] schuh hoher Schnee welcher liegen blieb biß
19. glind wetter, abwechselnd Schnee und Regen, angenehmes wetter
9. xbr[xxiii]. Surm wind dergleichen in 30 Jahren nicht gewesen nembl. 1739 den 26. Xbr.
glind biß
17. Frost und Schnee
19. des abends starker Blitz ohne Knall worauf
d. 20. 21. 22. glind, doch ohne auftauen
24. stürmisch
26. glind
27. Schnee
31. Tauwetter
Das Jahr 1771[xxiv]
1771 den 2. Jener[xxv] habe Kappes[xxvi] Samen gesäet, zuckererbsen und dicke bonnen gesetzt abwechselnd biß
d. 20 Merz kalt und Schnee biß
den 28. Schön Wetter, aber nachts starker frost, trocken biß in May
es ware großer Frucht Mangel aller orthen das Korn stiege das limburger Malter ad[xxvii] 18fl, die gerst ad 12fl, die haber 6, der weiz 22 ad 24.
Das Jahr 1772[xxviii]
Daß Korn wurde verkauft a 14fl; die gerst 19, der haber 5, der weyzn 18 a 20
Dieses Jahr ware das wetter sehr veränderlich und fast all 2tag abwechselnd
Die Mäuße thaten vor der Ernd großen schaden und da das Korn ausgesäet und ausgewachsen haben sie dasselbe ganz kahl auf der erd wie die Schaaf abgefressen, daß man an vielen orthen nicht unterscheiden konnte, daß korn dahin gesäet worden. Die Menge [der Mäuse] ware sehr groß und die arth gar verschieden, es wurden processioen geführet um die besamte Felder auff befehl des offizialats.
Hier zu Haintgen haben wir Gott sey danck nichts davon empfunden. Die ernte ware gesegnet und fiele der fruchtpreis gleich nach derselben um die halbscheid[xxix] und noch mehr[xxx].
Das Jahr 1773[xxxi]
Der winter ware linderlich[?] biß zum Ende des Jahres.
Das Jahr 1774[xxxii]
Finge mit frost an biß den halben febr.
Der Merz ware durch aus hell und angenehmer Sonnenschein, so warm daß wohl niemand dergleichen gedencket.
Der April des gleichen daß den 16ten ein starker donner und blitz ware und zündete der blitz zu abends 10 uhr den großen Thurm der Stifts Kirch zu limburg an welcher nebst [a…a] biß auffs mauer werck abbrante, doch ohne sonsten schaden zu thun[xxxiii].
Der Sommer ware warm mit abwechselden regen, die früchten waren wohl gerathen, daß das korn zu der Ernd Zeit schon um 5 fl. gekaufft wurde.
Damit enden die von Peter Christian Winzmann verfassten und im Amtsbuch der Frühmesserei festgehaltenen Wetteraufzeichnungen. Am 1. Dezember 1774 verließ er Haintchen und wurde Frühmesser in Niederselters. Aus seinen Aufzeichnungen lässt sich ersehen, dass die Jahre in Haintchen für ihn nur zu Beginn hoffnungsvoll verliefen. Die anhaltenden Auseinandersetzungen mit der Gemeinde bzw. einigen führenden Vertretern derselben ließen ihn, so steht zu vermuten, Abstand von den Belangen der Frühmesserei nehmen und zum Wetterbeobachter werden.
Kurz notiert: Aus dem Pfarrarchiv
Für die im Pfarrarchiv aufbewahrten Archivalien aus der kurtrierischen Zeit wurde inzwischen ein detailliertes Bestandsverzeichnis angelegt, das im Pfarrarchiv eingesehen werden kann.
[i] Pfarrarchiv Haintchen, Kurtrierische Zeit, Mappe: Frühmesserei Amtsbuch (Hauptbuch) 1754-1775 (1781).
[ii] Der Eintrag Winzmanns zum Jahr 1767 beinhaltet über mehrere Seiten die Schilderung der Vorgänge um die des Kindsmords verdächtigte Magd Anna Maria Hering, s. ASdQ 10 (2020/2)
[iii] Die Wetteraufzeichnungen werden zuweilen durch Nachrichten zum Russisch-Türkischen Krieg (1768-1774) ergänzt.
[iv] Die Ursachen sind vermutlich in den zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen dem Frühmesser und der Gemeinde um jeweils zustehende Rechte und Pflichten zu sehen. Offenbar hatte Winzmann kein Interesse mehr daran, die fortwährenden Spannungen aufzuzeichnen.
[v] Peter Christian Winzmann, stammte aus Würges, Neffe des dortigen nassau-oranischen Schultheiß Johannes Winzmann, 1759-1774 Frühmesser in Haintchen, danach im Tausch mit Hubert Arend Frühmesser in Niederselters, gestorben am 30. Mai 1790 in Niederselters, Pfarrarchiv Haintchen, Kurtrierische Zeit, Mappe: Frühmesserei Amtsbuch (Hauptbuch), 65, 76.Eugen Caspary, Das Hartmannsche Beneficium von 1758, in: 600 Jahre Haintchen, 169-188, hier: 170f.
[vi] S. 58.
[vii] Namentlich führt Winzmann u.a. den nassau-oranischen Schultheiß von Haintchen, Johann Adam Gerlach, als einen seiner „Hauptfeinde“ an, s. S. 63.
[viii] Die Gemeinde verweigerte Winzmann das der Frühmesserei zustehende Brennholzkontingent.
[ix] Heinrich Joseph Burret war zwischen 1764 und 1774 Pfarrer in Hasselbach; Liste der Pfarrer, abgedruckt, in: 700 Jahre Hasselbach, S. 101.
[x] Auf den folgenden Seiten (S. 59-63) werden die Ereignisse um die Festsetzung der des Kindsmords bezichtigten Magd Anna Maria Hering geschildert; s. ASdQ 10 (2020/2).
[xi] S. 67f. – Zu Beginn des Eintrags findet sich die Nachricht von der Geburt eines fehlgebildeten Kindes in Niederselters, die als göttliche Strafe für ungebührliche Reden der Eltern gedeutet wird.
[xii] S. 68.
[xiii] Lat. Abkürzung für: Oktober.
[xiv] Vermutlich (Hand-)Karren
[xv] Möglicherweise sind „Dollen“ (= Baumkronen) gemeint, s. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Lfg. 6 (1858), Bd. II, Sp. 1226.
[xvi] Lat. Abkürzung für: desselben Monats
[xvii] Lat. Abkürzung für: November
[xviii] Das Verb „gagen“ kann soviel wie „wanken“, „schwanken“, „wackeln“ bedeuten und hier im Sinne von „umfallen“ gebraucht sein, s. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Lfg. 5 (1872), Bd. IV, I, I, Sp. 1143. – Es folgt eine kurze Notiz zur Überstellung der Anna Maria Hering von Camberg nach Diez.
[xix] S. 69f.
[xx] Das Malter ist ein altes Fruchtmaß. Winzmann rechnet mit dem sog. Limburger Malter.
[xxi] Abk. für floren = Gulden.
[xxii] Lat. Abkürzung für: November
[xxiii] Lat. Abkürzung für: Dezember
[xxiv] S. 70f.
[xxv] Gemeint ist der Monat Januar (Jenner).
[xxvi] Weißkohl. – Zum Frühmessereihaus gehörte auch ein kleines Gärtchen.
[xxvii] Lat.: bis auf, bis zu.
[xxviii] S. 71. – Der Eintrag zum Jahr 1772 beginnt mit der Nachricht von der Teilung Polens durch die benachbarten Mächte Russland, Preußen und Habsburg.
[xxix] Anderes Wort für „Hälfte“.
[xxx] Hier folgen Notizen zur Aufhebung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV, zu den Schulreformen in Mainz unter Kurfürst-Erzbischof Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim und zum weiteren Verlauf des Russisch-Türkischen Kriegs.
[xxxi] S.72.
[xxxii] S. 73.
[xxxiii] Vgl. Franz-Karl Nieder (Hg.),Ludwig Corden, Limburger Geschichte Bd. III (1406-1806), S. 168.